Selbstliebe

Wie sich ein Mangel an Selbstliebe zeigt

Selbstliebe gehört zu den Begriffen, die inzwischen gefühlt jeder kennt und dennoch scheint kaum jemand wirklich zu wissen, was man darunter versteht. Es ist das Schicksal vieler Weisheiten, dass sie zu Floskeln werden und im „Schöne-Sprüche-Album“ landen, ohne dass sich die meisten je wirklich Gedanken darüber machen, was wirklich damit gemeint ist und wieviel lebensveränderndes Potential tatsächlich darin steckt. Ich möchte diesen Artikel über Selbstliebe schreiben. Ich hoffe dem ein oder anderen neue Perspektiven geben zu können und das Potential von Selbstliebe ein Stück näher zu bringen.

Was bedeutet Selbstliebe für DICH?

Das Erste, was ich zur Selbstliebe sagen möchte ist tatsächlich, dass diese zu praktizieren für jeden etwas anderes bedeuten kann. Denn wir alle haben unterschiedliche Bereiche in unserem Leben, in denen wir zu wenig Selbstliebe praktizieren und gleichzeitig unterschiedlichste Verhaltensweisen, die mehr von Selbsthass als von Selbstliebe zeugen. Selbsthass mag ein starkes Wort sein, doch wir neigen dazu, uns konstant selbst zu übergehen und es als Kleinigkeit abzutun. Daher lasse ich dieses Wort jetzt mal so stehen, um zu zeigen, dass ein Mangel an Selbstliebe keine Kleinigkeit ist.

Arten von Mangel an Selbstliebe

Ich gehe das Thema Selbstliebe jetzt mal von der gegenteiligen Seite an und liste einige Verhaltensweisen und Glaubenssätze auf, die von einem Mangel an Selbstliebe zeugen.

So zeigt sich ein Mangel an Selbstliebe zum Beispiel:

  • ich lasse andere über meine Grenzen gehen
  • Ich überarbeite mich
  • Ich kontrolliere mich permanent
  • Ich habe keine Disziplin
  • Ich erlaube mir keinen Genuss
  • Ich mache mich klein
  • Ich unterdrücke meine Wahrheit
  • Ich erlaube mir selbst (und anderen) keine Schwäche
  • Ich glaube, ich muss Autorität ausstrahlen und unterdrücke meine weiche Seite
  • Ich mache es allen recht
  • Ich überzeuge mich permanent, dass etwas zu gut ist um wahr zu sein
  • Ich glaube insgeheim, etwas nicht verdient zu haben
  • Ich glaube, meinen Wert permanent beweisen zu müssen

Das sind nur ein paar der Möglichkeiten, wie ein Mangel an Selbstliebe aussehen kann. Im Allgemeinen zeigt sie sich dadurch, dass wir nicht authentisch sind, also unsere wahren Bedürfnisse und Gefühle unterdrücken.

Extreme als Zeichen für ein Mangel an Selbstliebe

Selbstliebe bedeutet, ein gesundes und für sich passendes Maß zu finden zwischen einer Verhaltensweise und dem Gegenteil davon. Nehmen wir das Beispiel Disziplin. Bist du permanent diszipliniert, folgst ausschließlich starren Routinen und erlaubst dir keine Freiheiten, dann ist das ein Mangel an Selbstliebe. Genau so ist es ein Mangel an Selbstliebe, wenn du gar keine Disziplin zeigst, nur in den Tag lebst und deine Träume hinten anstellst. Denn ein gewisses Maß an Disziplin ist für ein erfülltes Leben unumgänglich und wenn du es gar nicht schaffst, ein Stück weit Disziplin zu etablierst, darfst du dich fragen, ob du deine eigenen Träume und Wünsche und damit dein Wohlergehen wichtig genug nimmst. Liebst du dich selbst genug, um deine Träume und Wünsche zu verfolgen?

Selbstliebe bedeutet, die eigene Seele glücklich zu machen

Bist du eher der authentische Typ, der seine Meinung sagt und dabei in Kauf nimmst, andere zu verletzen? Oder bist du eher jemand, der seine Meinung zurückhält aus Angst, jemandem auf die Füße zu treten. In beiden Fällen wirst du wahrscheinlich beobachten, dass es dir wenn du ganz ehrlich bist, danach nicht wirklich glücklich mit dir bist. Die Seele ist glücklich, wenn du authentisch bist und gleichzeitig respektvoll mit anderen umgehst.

Authentizität als Akt der Selbstliebe

Hältst du deine eigene Meinung zurück?

Kennst du das? Es fällt dir schwer, deine Wahrheit auszusprechen und du hältst dich damit meist zurück? Du schluckst herunter, was du sagen möchtest, immer und immer wieder? Vielleicht fängst du an, aus Frust Süßkram in dich rein zu futtern. Oder du beschwerst dich bei anderen, denn irgendwie muss die Wahrheit ja doch raus, oder? Vielleicht entwickelst du sogar Symptome, ein Kloß im Hals, der das Schlucken schmerzhaft macht. Deine Seele weiß auch hier, dass deine Zurückhaltung ein Mangel an Selbstliebe ist und genau deswegen entwickelst du diese Symptome. Die Seele möchte sich ausdrücken und sie möchte, dass du deine eigene Auffassung ebenso sehr respektierst, wie die individuellen Ansichten von anderen.

Letztendlich ist es wichtig, dir über deine Intention bewusst zu werden. Wenn du etwas wahrhaftig mit der Intention sagst, das Leben von dir und anderen besser zu machen und nicht mit der Intention, jemanden "fertig" zu machen, dann ist die wichtigste Grundvorraussetzung geschaffen, dass deine Worte Positives bewirken. (Auch wenn es nicht immer direkt sichtbar ist.)

Ein Akt wahrer Selbstliebe ist es, deine Meinung zu sagen, wenn dir etwas wichtig ist und sie gleichzeitig respektvoll zu formulieren.

Authentisch sein um jeden Preis?

Authentizität ist wichtig. Genauso wichtig und ein Akt der Selbstliebe ist es, dabei respektvoll mit anderen umzugehen.

Wir alle sind verbunden - ob unser Ego es wahrhaben möchte oder nicht. Wenn wir jemand anderen absichtlich verletzen, verletzen wir gleichzeitig uns selbst. Das, was wir am anderen verurteilen, ist der eigene Anteil, den wir auf ihn projizieren. Somit verurteilen und bestrafen wir tatsächlich diesen Anteil in uns selbst und das ist schmerzhaft.

Nehmen wir an, du hast jemanden richtig zur Schnecke gemacht. Vielleicht fühlt es sich erst gut und richtig an. Vielleicht bist du stolz auf dich oder du bekommst anerkennende Worte von anderen, die das Ganze ebenso sehen. Doch sobald das erste oberflächlich gute Gefühl verklungen ist, wirst du merken, dass etwas zurück feuert. Vielleicht ist das ein leises Gefühl in dir, dass etwas nicht ganz richtig gelaufen ist, auch wenn dein Verstand etwas anderes sagt. Vielleicht zeigt sich das Gefühl auch in Form von Angst vor irgendeiner Form von Rache oder in dem Wissen, dass der andere jetzt einen Grund hat, schlecht über dich zu reden. Vielleicht bist du auch unzufrieden, weil du tief in dir weißt, dass man jemanden nicht mit Schreien und Zurechtweisung überzeugen kann. Mit (verbaler) Gewalt lässt sich allenfalls der Willen des anderen brechen, es lässt sich jedoch keine wahrhafte Erkenntnis im anderen erreichen. Da du dem anderen damit schadest, schadest du auch dir selbst.  Deswegen ist Authentizität ohne Rücksicht eine Form von mangelnder Selbstliebe.

Es gilt „seine eigene Spielfläche sauber zu halten“ - etwas, was der Diplompsychologe Hr. Hemschemeyer immer wieder sagt und was ich als sehr wahr empfinde. Du kannst anderen nicht das vorwerfen, was du insgeheim selbst falsch machst.

Spaltung als Auswirkung von mangelnder Selbstliebe

Wir sehen es allzu oft in der heutigen Gesellschaft bei Personen, die in der Öffentlichkeit stehen. Jemand hat "die falsche Meinung" oder hat sich einer Person oder Personengruppe gegenüber schlecht verhalten. Nun folgt eine öffentliche Demütigung in Form von Meinungs-Videos auf Youtube, dem Aufruf zum "Canceln" über Social Media, oder diffamierenden Zeitungsartikeln. Die Menschen, die der anderen Person vorwerfen, jemanden auszuschließen, die falschen Worte zu benutzen oder ähnliches, halten sich in ihren eigenen Videos meist nicht zurück mit Beschimpfungen und Demütigungen. Sind diese Menschen nun besser als die Person, die sie zu "canceln" versuchen? Ist "Canceln" das richtige Mittel? Kann man eine Lage verbessern, indem man Menschen ausschließt oder hat das nur zur Folge, dass sich die Gesellschaft weiter spaltet?

Packst du dich selbst in eine Schublade?

Bist du jemand, der von sich sagen würde, dass er nie „Schwäche“ zeigt? Oder packst du dich vielleicht in die Schublade „unkompliziert und immer freundlich“? Denkst du, dass du nur „Licht und Liebe“ bist? Oder glaubst du, dass du „immer hilfsbereit“ sein musst?

Alle Schubladen, in die du dich selbst steckst, sind eine Beschränkung von dir und damit eine Form von mangelnder Selbstliebe.

Mit jeder Schublade, in die du dich steckst weigerst du dich, alle Anteile von dir zu sehen, die nicht in diese Schublade gehören. Diese Anteile verschwinden dadurch aber nicht. Sie zeigen sich als unterbewusste Sabotagemuster oder sie begegnen dir in anderen Menschen, die dich herausfordern, diese Anteile endlich zu sehen und anzuerkennen.

Sich in eine Schublade zu stecken bedeutet, all die ungewollten eigenen Anteile nicht zu sehen, aber auch das eigene Potential nicht zu sehen. Du beschneidest dich dadurch, dass du dich in eine Schublade steckst und das ist ein Akt der mangelnden Selbstliebe.

Selbstliebe bedeutet, nach und nach mehr der ungeliebten Anteile zu akzeptieren. Du wirst merken, dass du mit diesem Akzeptieren erfolgreich warst, wenn Leute mit eben diesen Eigenschaften auf einmal annehmen kannst oder wenn dir bestimmte Situationen und Menschen, die diese Anteile repräsentieren schlichtweg nicht mehr in deinem Leben begegnen.

Erkennst du deinen Wert nicht?

Eine weitere Form von mangelnder Selbstliebe ist es, seinen Wert nicht zu erkennen. Das zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass du dich schlecht bezahlen lässt. Es zeigt sich auch dadurch, dass du dich überarbeitest, dass du unbezahlte Überstunden machst und dass du dir Aufgaben auflädst, die du nicht machen musst. Das kommt daher, dass du tief in dir die Glaubenssätze hast, die dir verklickern wollen, dass es deine Pflicht ist, alle das zu tun.  Vielleicht hast du die Hoffnung, dass andere Menschen deine Mühen anerkennen doch in vielen Fällen wirst du feststellen, dass sie sich nicht einmal bei dir bedanken und dir stattdessen immer mehr aufladen. Sie spiegeln dir damit dein Mangel an Selbstliebe.

Selbstliebe würde in diesem Zusammenhang bedeuten zu erkennen, dass du deinen Wert nicht beweisen musst, indem du dich überarbeitest. Dass du "Stopp" sagst, wenn du merkst, dass es dir zu viel ist und dass es dir damit nicht mehr gut geht. Und dass du eine Reißleine ziehst, wenn du permanent gibst, ohne eine Gegenleistung zu empfangen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, dass Menschen dich lediglich spiegeln. Versuche nicht, das Spiegelbild zu ändern, indem du versuchst, die Menschen um dich herum zu erziehen. Kommuniziere stattdessen deine persönlichen Grenzen und stehe dazu.

Glaubst du nicht daran, dass du ein gutes Leben verdient hast?

Wir alle werden von klein auf mit dem Glaubenssatz konfrontiert, dass bestimmte Dinge "unrealistisch" sind oder nur für wenige Glückspilze bestimmt.

Sich selbst davon zu überzeugen, dass etwas zu gut ist um wahr zu sein, in dem Versuch sich vor Enttäuschungen zu schützen, ist eine Form von mangelnder Selbstliebe. Die tatsächliche Wahrheit übersteigt unsere wildesten Träume. Und wenn etwas als Herzenswunsch in uns schlägt, dann, weil wir dazu bestimmt sind, diesen als Realität in unserem Leben zu erfahren. Es gilt, alles Blockaden auszuräumen, die verhindern, dass wir diese Traumrealität erfahren können. Eine Form der Selbstliebe ist daher daran zu glauben, dass wir es verdient haben, absolut glücklich zu sein.

Selbstliebe steigern

Leider erkennen wir oft gar nicht, wo wir nicht in der Selbstliebe sind. Denn dazu müssen wir den Zustand der Selbstliebe erstmal ein Stück weit kennengelernt haben. Wir müssen wissen, wie es sich wirklich anfühlt, in der Selbstliebe zu sein, um zu erkennen, wann wir es nicht sind.

Um diesen Zustand mehr und mehr zu erfahren heißt es, achtsam zu werden und ehrlich zu sich selbst zu sein und sich stets zu frage: „Was würde ich meiner geliebten Person raten, wenn sie in meiner Situation wäre?“, „Wie würde ich jetzt reagieren, wenn ich ganz ganz ehrlich das beste für mich wollte, wenn ich mich selbst und mein eigenes Wohlergehen jetzt wirklich Hundert Prozent ernst nehmen würde?“, „Was würde ich jetzt tun, wenn ich nicht in der Angst, sondern in der Liebe wäre?“

Übung 1 - Sich selbst lieben

Um diese Achtsamkeit zu steigern und uns dazu zu bringen, im Alltag immer wieder inne zu halten hilft eine klassische und simple aber effektive Übung: Stelle dich vor den Spiegel, atmet tief ein und aus und sage dir nach jedem Ausatmen laut, während du dir in die Augen schaust: „Ich liebe mich“. Wiederhole die Worte 10 Mal und mache diese Übung täglich.

Die Übung hat unter anderem den Effekt, dass du dir immer mehr bewusst darüber wirst, wenn du im Alltag nicht in der Selbstliebe bist und gibt dir die Chance, an diesen Situationen aktiv zu arbeiten.

Übung 2 - Das eigene Aussehen lieben

Stelle dich vor den Spiegel und betrachte dich aufmerksam. Fange an, Dinge an dir aufzuzählen, die du gerne magst, zum Beispiel: „Ich liebe meine schönen braunen Augen“, „Ich liebe meine langen Wimpern“,… versuche so viele Dinge wie möglich zu finden.

Dann fange an dir auch über die Teile deines Körpers positive Dinge zu sagen, die du normalerweise kritisierst. Zum Beispiel: „Ich liebe den Huggel auf meiner Nase.“

Gerade wir Frauen konzentrieren uns meist auf die Bestandteile unseres Aussehens, die wir als mangelhaft empfinden und sehen uns selbst im schlechtesten Licht. Wir haben nicht nur eine verzerrte Wahrnehmung über uns selbst, die ständige Selbstkritik macht uns auch unsicher, wir sabotieren uns selbst und verhindern auch eine positiver Änderung, indem wir diese negativen Gefühle in uns immer und immer wieder reaktivieren. Energie folgt der Aufmerksamkeit. Es zahlt sich daher aus, uns auf die positiven Dinge zu konzentrieren!

Fazit

Selbstliebe verändert dein Leben. Es lohnt sich mehr als alles andere, daran zu arbeiten. Selbstliebe bedeutet nicht, uns über andere zu stellen, sondern unsere Bedürfnisse genauso wichtig zu nehmen, wie die der anderen. Um an der Selbstliebe zu arbeiten gibt es zahlreiche Übungen, die du machen kannst. Angefangen damit, dir selbst die Worte „Ich liebe mich“ immer mal wieder leise und laut zu sagen.