Gesunde Grenzen setzen

Als intuitiver empathischer Persönlichkeitstyp das Abgrenzen meistern

Grenzen setzen als INFJ-Persönlichkeitstyp

Eine große Herausforderung und gleichzeitig eine der wichtigsten Lernaufgaben des INFJ-Persönlichkeitstyps ist es, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und rechtzeitig zu kommunizieren. Andernfalls kann es zum sogenannten INFJ-Doorslam kommen, doch dann ist die Beziehung schon ins Wasser gefallen. Auch andere Persönlichkeitstypen die sehr emphatisch sind, wie beispielsweise ENFJ, ISFJ und ESFJ können mit dem Setzen von Grenzen Schwierigkeiten haben.

Besonders Menschen mit ausgeprägter Empathie haben oft Probleme damit, gesunde Grenzen zu setzen

People Pleasing

Viele Menschen neigen zu People Pleasing. Sie verstellen sich und machen es anderen Recht, häufig auf eigene Kosten.

Es gibt sicherlich viele Gründe, warum Menschen People Pleasing betreiben. Es kann zum einen damit zusammenhängen, dass man in der Kindheit gelernt hat, es den Erwachsenen recht zu machen, damit nichts Schlimmes passiert. Es kann auch sein, dass einem ein schlechtes Gewissen gemacht wurde wurde, wenn man seine eigenen Bedürfnisse und Gefühle ausgedrückt hat. Ebenso können wir die Erfahrung der Täter-Opfer-Umkehr gemacht haben. Dann, wenn einem Leute gesagt haben, dass man selbst das Problem ist und nicht ihr eigenes ungesundes Verhalten.

Ein interessantes Anzeichen dafür, dass man selbst zu People Pleasing neigt ist, dass man Menschen gegenüber, bei denen man sich unwohl fühlt besonders nett, einfühlsam und zuvorkommend ist, vielleicht sogar netter als zu Menschen, die man gerne hat. Dies passiert zum Beispiel als einer Art "Vorsorge", damit dieser entsprechende Mensch sich nicht später gegen einen richtet.

Ich habe früher so oft zu hören bekommen, dass ich einfach „zu sensibel“ bin, dass ich meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse gelernt habe abzuwerten. Es hat eine lange Zeit gebraucht, bis ich wieder nach und nach habe, diese wichtig zu nehmen. Besonders eindrücklich waren immer wieder Erfahrungen, in denen ich meine eigenen Gefühle so lange zurückgestellt habe, bis ich irgendwann „explodiert“ bin, was für alle Parteien sehr unangenehm war.

Wie Leute unbewusstes Grenzen testen

Auch heute testen Menschen immer wieder meine Grenzen und ich darf mich stets entscheiden, ob ich meine Grenzen wahre und deutlich mache und meine Standards halte oder nicht. Ich darf immer wieder neu entscheiden, wie ich mich von anderen behandeln lasse. Wichtig hierbei ist zu erwähnen, das Grenzüberschreitungen oft nicht aus böser Absicht passieren. Es liegt allzu oft daran, dass wir uns unbewusst so verhalten, dass Menschen ohne nachzudenken über unsere Grenzen gehen, einfach, weil wir es zulassen.

Um es konkret zu machen: Wenn man beispielsweise am Anfang einer Freundschaft immer springt, wenn der andere etwas möchte (vielleicht aus einem unbewussten Gefühl heraus, dass man sich die Freundschaft verdienen muss) und irgendwann merkt, dass es einem zu viel wird, aber der andere es inzwischen als Selbstverständlichkeit angenommen hat, dass man ihm Arbeit abnimmt. Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn er nicht unsere Gedanken lesen kann und auf einmal damit aufhört uns Dinge aufzuladen. Und ja, der andere kann durchaus irritiert sein, wenn wir unser Verhalten auf einmal ändern und anfangen, Grenzen zu setzen.

Hier hilft es, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen. Jemand hört auf einmal auf, auf deine Nachrichten direkt zu antworten und nimmt sich von nun an stattdessen immer 2 Tage Zeit. Der erste Impuls ist dann vielleicht zu denken, dass das Gegenüber sauer auf einen ist oder man etwas falsch gemacht hat.

Es ist dein gutes Recht, dein Verhalten zu überdenken und so zu ändern, dass es dir selbst gut geht. Es kann für andere aber irritierend sein, daher hilft hier immer ein Gespräch, in dem man - ohne den anderen anzugreifen - seine eigenen Entscheidungen darlegt.

Wenn du merkst, dass du dich mit einer Dynamik in einer Freundschaft oder Beziehung nicht wohl fühlst, ist es das Beste, dies zu kommunizieren, ohne dem anderen Vorwürfe zu machen, sondern aus der Ich-Perspektive.

Freundschaften ausfaden lassen

Da ich inzwischen Menschen gefunden habe, die sich mir gegenüber korrekt verhalten und bei denen ich mich wohlfühle, fällt es mir leichter, für meine Standards einzustehen.

Dabei ist es immer ein Balanceakt, Dinge richtig anzusprechen. Denn vieles passiert ja tatsächlich - wie schon im vorherigen Abschnitt beschrieben - nicht mit böser Absicht. Trotzdem ist es wichtig, die eigenen Gefühle auf die ein oder andere Art und Weise deutlich zu machen - denn wie soll der andere wissen, dass er eine Grenze überschreitet, wenn man sich nichts anmerken lässt?

Typisch INFJ neige ich immer noch eher dazu, Beziehungen die mir nicht gut tun „ausfaden“ zu lassen, statt direkt zu sagen, wenn mich etwas stört. Doch woran liegt das?

Erfahrungen mit Täter-Opfer-Umkehr

Heute hatte ich eine Situation, in der mir klar wurde, ich muss hier eine Grenze kommunizieren, um mich weiterhin wohl zu fühlen. Ein Bekannter hatte mich - ob bewusst oder unbewusst - immer wieder enttäuscht. Er gab mir mehrmals unangebrachte Ratschläge, steckte mich in Schubladen und sagte Worte die mich verletzten. Des weiteren ignorierte er immer wieder freundliche Nachrichten und die Krone setzte er dem Ganzen auf, als er mich am Telefon barsch anredete.

Auch wenn ich zwischendurch immer wieder durchklingen ließ, dass ich sein Verhalten nicht gut fand, änderte er nichts.

Nun wollte er sich mit mir treffen und ich spürte, dass ich schon lange kein Interesse mehr daran hatte. „Ich sollte es ihm sagen“ dachte ich und gleichzeitig gingen mir Szenarien durch den Kopf, wie er reagieren konnte.

Die Sorge davor, wie der andere wohl reagiert, hält viele Menschen davon ab, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu kommunizieren

Vor allem befürchtete ich, dass er mir sagen könnte, dass ich „zu empfindlich“ bin, dass ich „mich nicht so haben soll“ oder dass ich scheinbar „kein Selbstbewusstsein“ habe, wenn mir Worte so nahe gehen. Das alles hätte mich früher zutiefst verunsichert. Jetzt weiß ich, dass das eine Art der Täter-Opfer-Umkehr ist. Sie passiert, wenn jemand, statt sich für sein falsches Verhalten zu entschuldigen, den anderen verunsichert und ihm die Schuld für seine eigene Verletzung gibt.

Während es stimmt, dass einen nur Worte wirklich verletzen könne, wenn sie einen wunden Punkt treffen, so ist es doch auch unser gutes Recht zu verlangen, dass Menschen bestimmte Standards an Höflichkeit und Respekt berücksichtigen, wenn sie mit uns Zeit verbringen wollen. Und wenn sie das nicht können oder wollen, dürfen sie auch gehen.

Wir haben es verdient, dass Menschen freundlich zu uns sind und eine gewisse Höflichkeit im Umgang mit uns an den Tag legen

Vertraue, dass die richtigen Menschen in deinem Leben bleiben

Ich denken der Trick ist es, andere Menschen loslassen zu können und es nicht persönlich zu nehmen, wenn sie gehen, aber gleichzeitig fair zu sein und ihnen zu sagen, wenn sie einen verletzten. So lernen im besten Fall alle daraus.

Ich habe tief verinnerlicht, dass ich Menschen nicht ändern kann, wenn sie es nicht selbst wollen und dass es auch nicht meine Aufgabe ist - manchmal passt es halt einfach nicht.

Was für mich dann immer offensichtlich ist - dass es einfach nicht passt - ist meinem Gegenüber aber oft gar nicht so klar. Daher versuche ich inzwischen, die Person über meine Gefühle & Bedürfnisse aufzuklären, ohne Erwartungen zu haben und ohne mein Wohlergehen von der Reaktion darauf abhängig zu machen. Wie gesagt - ein Balanceakt. Und oft genug, gelingt es mir auch nicht. Doch ich arbeite daran.

Grenzen setzen als Schlüssel zur Authentizität

Grenzen setzen ist kein „Nice-to-Have“, kein Konzept, was man sich einfach mal durch den Kopf gehen lassen kann und dann schaut, ob man es verfolgen möchte.

Jedes Mal, wenn du es zulässt, dass jemand deine Grenzen überschreitet büßt du in diesem Moment einen Teil deiner Authentizität ein und damit einen Teil deiner Lebendigkeit ein.

Es mag Angst machen, Grenzen zu setzen. Es ist aber unumgänglich für ein erfülltest Leben. Menschen, die deine Grenzen weiterhin bewusst überschreiten, nachdem du ihnen bereits mit Worten deutlich gemacht hast, dass es nicht okay ist, sind nicht deine Leute.

Hier den Kontakt einzuschränken oder in manchen Fällen auch die entsprechenden Personen ziehen zu lassen, schafft Raum, für Menschen, die mit dir auf Augenhöhe sind.

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